Krebs ist der Inbegriff einer heimtückischen Krankheit, die existenzielle Ängste hervorrufen und reflexartig Assoziationen an den Tod provozieren kann. Jährlich sehen sich in der Schweiz gegen 35’000 Personen mit der Diagnose konfrontiert. Die Ohnmacht lässt viele Patienten verzweifeln. Und die meisten fragen sich: Warum hat es mich getroffen? Was habe ich falsch gemacht? Gläubige, die in religiösen Kategorien denken, haben Angst, die Krankheit könne eine Strafe Gottes oder eine Prüfung sein.
Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte der Krebspatienten neben der medizinischen Therapie auch Heiler und Handaufleger konsultieren oder alternativmedizinische Angebote in Anspruch nehmen. Sie sind überzeugt, dass Krankheiten mit seelischen oder spirituellen Blockaden einhergehen. Deshalb machen sie der Schulmedizin den Vorwurf, bei ihrer Therapie nur die Symptome zu bekämpfen, nicht aber die Ursache der Krankheit.
Ein Beispiel: Nächste Woche beginnt einer der weltweit bekanntesten Heiler, Deepak Chopra, eine 21-tägige Meditationsreihe. Dazu schreibt er, die Teilnehmer würden Wege entdecken, «wie du völlige Kontrolle über Körper und Geist gewinnen und jederzeit psychisch-physisches Wohlbefinden erreichen kannst». In der Ankündigung heisst es, Chopra verbinde wie kein anderer das Wissen des Westens mit der Weisheit des Ostens. «Als erfolgreicher Arzt stellte er fest, dass der westlichen Medizin die Seele fehlt. Daher machte er sich auf die Suche nach einer ganzheitlichen Medizin, die ihn bald in den Grenzbereich von Wissenschaft und Glauben führte, dem er sich bis heute mit Erfolg widmet.» Chopra habe über 75 Bücher geschrieben, die insgesamt 20 Millionen Mal verkauft worden seien.
Patricia Göttersdorfer, Vorstandsmitglied der österreichischen Plattform für Psychoonkologie, verneinte in einem Bericht seelische Zusammenhänge bei Krebs: «Es gab und gibt ganz viele Studien, die zeigen, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und einer Krebserkrankung gibt.» Sie sage den Patienten, die Psyche sei nicht schuld, wenn sie an Krebs erkrankten. Menschen neigten dazu, ein Erklärungsmodell für ihre Erkrankung zu suchen. Ganz nach dem Motto: Es gibt doch einen Zusammenhang zwischen Seele und Krebs. «Und da muss man dann klar sagen: ‹Nein, es ist nicht so!›», erklärte Göttersdorfer.
Die Suche nach einer Erklärung für die Krankheit öffne Tür und Tor für abstruse Behandlungsmethoden, sagte die Psychotherapeutin. «Alles, was wir uns nicht erklären können, macht uns extrem hilflos. Das ist auch der Grund, warum Wunderheiler und Esoterikpraktiken so boomen oder warum Menschen immer wieder in Heilversprechungen flüchten und manchmal sogar sehr weite Reisen – wie etwa nach Lourdes – auf sich nehmen, um genau dieses Bedürfnis nach dem Sinn hinter der Krankheit zu befriedigen.»
Wenn Menschen mit ihren Gedanken allein gelassen würden, kämen sie oft auf unmögliche Zusammenhänge. Sie glaubten beispielsweise, dass Brustkrebs durch eine schlechte Ehe verursacht worden oder der Tumor durch eine schlechte Vaterbeziehung entstanden sei.
Die Erfahrung zeige aber, dass mithilfe von guten Gesprächen die Krebserkrankung für die Patienten erträglicher und klarer werde. Und dass sie besser mit den Folgen umgehen könnten.
Fazit: Seriöse Hilfsangebote können zwar nicht mit spektakulären Heilversprechen aufwarten, dafür den Patienten diffuse Ängste nehmen.
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